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Stahl wird seiner Rolle als einendes Stadtoberhaupt nicht gerecht

02.05.2022

Die Bernauer Linken um André Stahl haben ein gravierendes Problem von frauenfeindlichen und diffamierenden Entgleisungen in ihren eigenen Reihen, was im Kontext der bundesweiten Skandale um die Linkspartei eine neue Brisanz erhält.

 

Erkenntnisse der aktuellen empirischen Sozialforschung dokumentieren, dass frauenfeindliche Angriffe in der Politik zugenommen haben und auf Delegitimierung von Frauen in politischen Prozessen gerichtet sind. So sind Frauen mit Vorwürfen konfrontiert, die einerseits explizit frauenfeindlich sind und andererseits vorgeblich allgemein gehalten sind, aber Männern gegenüber in der Form nicht oder nur deutlich seltener geäußert werden. Solchen abwertenden Anfeindungen sieht sich auch BVB-Freie-Wähler-Kandidatin Anette Kluth ausgesetzt.

 

Wenn etwa Anhänger von Herrn Stahl Frauen pauschal die Eignung für höhere Ämter absprechen, sie als Personen mit „Spachtelmasse im Face“ bezeichnen und nach einem „starken Mann“ rufen, fühlt man sich an graue, längst überwunde geglaubte Vorzeiten erinnert. Zudem wird Frauen generell die Eignung abgesprochen, das in Rede stehende Bürgermeisteramt zu bekleiden.

 

Dabei halten sich auch namhafte Vertreter der Bernauer Politik nicht zurück. So belustigen sich etwa SVV-Vorsitzender Sauer und Bürgermeister Stahl über die vermeintlich schlechten Autofahrfähigkeiten von Frau Kluth, was nach allem aufgeklärten Empfinden eine Niveaulosigkeit darstellt. Schon dafür schuldet Herr Stahl eine Entschuldigung.

 

Dass der Fraktionsvorsitzende der Linken, Dominik Rabe (zugleich Wahlkampfleiter von Herrn Stahl), Frau Kluth sodann als „doof“ und „Marionette Vidas“ bezeichnet, rundet das unrühmliche Bild ab. Hinzukommen herablassende Angriffe von Herrn Stahl auf ehrenamtlich tätige Sachkundige Einwohner und die Titulierung von BVB / FREIE WÄHLER als „Organisation Vida“.

 

Am 04.04.2022 stellte das Brandenburger Innenministerium die erste von Forschern des Change Centre Consulting erstellte Kommunalstudie über Hass, Hetze und Gewalt vor und stellte deutlich heraus, dass Frauen besonders betroffen sind. Der RBB griff die Studie auf und lies Anette Kluth als Betroffene mit ihren Erfahrungen zu Wort kommen. Doch in Teilen der Bernauer Politiköffentlichkeit wird das Thema dagegen unter den Teppich gekehrt, verharmlost und geleugnet. Das ist genau die toxische Machokultur, die Frauen die gleichberechtigte Teilhabe am politischen Leben erschwert.

 

Dass die Linken, allen voran André Stahl, die Existenz solcher diffamierenden Äußerungen bestreiten bzw. runterspielen, obwohl er selber samt seinem engsten Vertrauten daran mitwirkt, ist befremdlich und beschämend. Das erklärt auch, warum André Stahl und die Linken den Fairnesskodex nicht unterschrieben haben und – schlimmer noch – den Kodex mit fadenscheinigen Argumenten sogar kritisieren. Es wäre ein Leichtes für André Stahl, unabhängig von der Parteifarbe und inhaltlichen Differenzen, klar und deutlich zu sagen, dass Angriffe auf das Geschlecht und die Person nicht in Ordnung sind und seine Anhänger zur Mäßigung aufzurufen. Angesichts des Sex-Skandals in der hessischen Linkspartei und Dutzenden weiteren Betroffenen, die sich aus dem ganzen Bundesgebiet gemeldet haben, wäre es gerade jetzt ein wichtiges Signal, auf der kommunalen Ebene zu deeskalieren.

 

Doch Stahl ist offenbar nicht in der Lage, sich an einem Fairnesskodex zu beteiligen, seinen engsten Wahlkampfhelfer zur Räson zu rufen und sich zu distanzieren. Die Botschaft, die Stahl und die Bernauer Linken mit ihrem Verhalten und ihren Worten aussenden, geht weit über die politische Auseinandersetzung hinaus. Sie sagen sinngemäß nichts weniger als: Es ist schon Ok so, weil Anette Kluth eine politische Konkurrentin ist. Damit nimmt man Probleme bewusst in Kauf, wenn es dem eigenen Vorteil dient. Dass aber ein großer Schaden entsteht, weil Vorbilder ihrer Rolle und Verantwortung nicht gerecht werden, muss am Ende die ganze Gesellschaft ausbaden. Wenn ein Bürgermeister eine Fariness-Erklärung, in der es um die Ächtung von rassistischen, extremistischen und frauenfeindlichen Äußerungen geht, trotz gegebenen Anlasses nicht unterzeichnen will, zeigt er damit, dass er seiner Rolle als einendes Oberhaupt dieser Stadt nicht gerecht wird.

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